JK

Artist's Favourites

No. 16 / Sommer 2008

Von AA Bronson
AA Bronson's School for Young Shamans 

Heute morgen bin ich früher aufgewacht als sonst, um sechs Uhr, als es hell wurde und die Vögel zwitscherten. Ich weiß nicht genau, wie ich über diese fünf sehr unterschiedlichen Künstler schreiben soll oder über die »AA Bronson's School for Young Shamans«. Was ist diese Schule eigentlich? Ein Ausstellungstitel? Begonnen hat es als Idee für einen Sommerworkshop, weniger eine Schamanismus-Schule als eine für Heilung, was aber vielleicht das Gleiche ist. Daraus entstand dann meine Einzelausstellung bei John Connelly Presents in New York City, wo ich die Arbeiten von zehn jüngeren Künstlern in meine Installation integrierte, zusammen mit fünf Kilo gesegnetem Weißen Salbei, Gemeinschaftsarbeiten mit Terence Koh und Scott Treleaven, einem Soundtrack von Andrew Zealley, einer Fotografie von Bruce LaBruce und einer von Scott Hug. Mein Alter Ego J. X. Williams steuerte schamanische Werkzeuge aus Besen, einen Hammer und andere Haushaltswerkzeuge bei, und Desi Santiago vollendete die Ausstellung mit einem riesigen umgedrehten Neon-Pentagramm. 

Christophe Chemin, The Gold Room, 2007
DVD, 4 min
Christophe Chemin


Christophe Chemin hat sich auf MySpace als mein Freund angemeldet, so bin ich auf ihn gestoßen. Er ist ein sexy Junge, mit einer magnetischen, fast mystischen Kraft, die mich von der anderen Seite des Atlantiks erreichte. Sein Video »The Gold Room« ist erfüllt von schamanischer Energie und voller Erotik. Ihn für mein Projekt auszuwählen, war leicht. Wie sich herausstellte, performte Christophe für die Film- und Theaterarbeit meines Freundes Bruce LaBruce in Berlin, aber man sollte unbedingt auch seine eigenen Performance- und Videoarbeiten gesehen haben. *1977 in Bordeaux. Lebt in Berlin.

Cyril Duval / Item Idem, Midasphaltarmacoat 8002 (for Joseph Beuys), 2008
244 x 213 x 30 cm
Cyril Duval / Item Idem


Item Idem ist Designer, Stylist und Künstler in einem. Sein schwarz-goldener Schamanenmantel aus Louis-Vuitton-Plastikkleidersäcken ist mit metallenem Krimskrams vom mexikanischen Day of the Dead und einer sehr großzügigen Applikation aus schwarzem Teer geschmückt. Dieser Mantel-von-wenigen-Farben hat auch einen performativen Aspekt: Duval machte mit ihm ein Mode-Shooting in der brasilianischen Wüste. Es dauerte acht Stunden, bis er den Teer wieder von seinem Körper bekam. Eine Flasche Teer-Parfum von Comme des Garcons steigerte den chaotischen Effekt in der Ausstellung noch weiter: Der Mix aus Weißem Salbei, schwarzem Teer und dem teuren High-Fashion-Duft war wirklich berauschend. *1970 in Woodstock / NY. Lebt in Tokio.

Michael Dudeck, Fish Dance II (recalibrated) for Joshua from Moses, 2008
Performance
Michael Dudeck


Ich lernte Michael Dudeck auf der Konferenz »Art Tomorrow« in Winnipeg, Kanada, kennen. Wir sprachen nur kurz, und später fiel mir auf, dass ich mich an jedes Detail seiner Hände erinnern konnte, aber an sonst nichts – deshalb habe ich ihn zu dieser Ausstellung eingeladen. Nackt, mit einem riesigen toten Fisch, großen schwarzen Stiefeln und einer Kleopatra-Perücke fixierte er nach der Reihe jeden Besucher mit seinem Blick: ein Duell der Sinne. Eine Serie subtiler Mandala-ähnlicher Zeichnungen in Schwarz und Pink – er erzählte mir, es seien Arschloch-Zeichnungen – vollenden das Bild. *1969 in Winnipeg. Lebt in Winnipeg.

Naufus Figueroa, My father singing mariachi music, 2007
Video
Naufus Figueroa


Ein Freund, der diese Dinge kennt, sagte: »Als ich in dieses Hinterzimmer kam, konnte ich es spüren, hier ist jemand an der Arbeit gewesen.« Naufus' skulpturale Intervention in die Gesamtinstallation hatte die Form eines Ringes aus Zweigen am Boden, den Raum einkreisend, geschmückt mit knallbunten Kaugummikugeln. An der Wand: ein Video, »Masturbating in the Fatherland «, in dem der Vater des Künstlers, ein typischer Guatemalteke, Gitarre spielt und ein Liebeslied singt, wobei er von Naufus unterbrochen wird, der an Karotten rumfingert und sie in sein Rektum einführt. In gewisser Weise Performancekunst in zwei Modalitäten: Relikt und Dokumentation. *1978 in Guatemala City. Lebt in Guatemala City.

Sands Murray-Wassink, Gay Pornographic Modelling Tryout Sheets / Wallpaper, 1995/2008
Wandtapete , Foto: Rudy Rijling
Sands Murray-Wassink


Sands ist ein Feminist. Seine Arbeit und sein Leben sind in fantastischem Ausmaß miteinander verbunden. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie wir uns kennengelernt haben, aber er und sein Ehemann Robin gehören zu den ersten schwulen Paaren, die ich für meine Serie »NEST« im Bett fotografierte. Seine totale Verweigerung, das Private und das Öffentliche zu trennen, wird in den Arbeiten, die er für mein Projekt auswählte, deutlich: ein drei Stunden langes Video, das Sands krank im Bett zeigt, in einem Nonstop-Monolog mit der Kamera, ein einfaches Statement des Künstlers kopiert auf Notizzettel zum Mitnehmen (eine Arme-Leute-Version von Felix Gonzales-Torres' vertikalen, heroischeren Papierstapeln) und eine Tapete mit einem Selbstporträt Sands' als Jugendlicher, als er Pornostar sein wollte. Auf seine typische Sands-Art nahm er auch ein Selbstporträt des dänischen Künstlers Peter Brandt hinein, noch ein männlicher Feminist, der Beachtung verdient.*1974 in Topeka / USA. Lebt in Amsterdam.




AA BRONSON wurde 1946 in Vancouver geboren. Er ist Künstler und Heiler und war eines der drei Mitglieder der Künstlergruppe General Idea (1969–1994). Ausstellungen unter anderem Sex + Death, Galerie Frederic Giroux, Paris (2007), Six Feet Under, Kunstmuseum Bern (2006), AA Bronson Healer, Vera List Center for Art & Politics, New York u. a. (2005), Whitney Biennial, New York (2002). Er lebt mit seinem Ehepartner, dem Architekten Mark Jan Krayenhoff van de Leu, in New York City.