Anna Witt

Performance, Hallonbergen, Stockholm
Foto: Mikaela Krestesen
1. Woran arbeitest du gerade?
Ich habe gerade einige größere Projekte abgeschlossen, wie zum Beispiel die Performance »Breaking New« für die Emscherkunst im Ruhrgebiet. Das Projekt habe ich gemeinsam mit den schwedischen Designern Uglycute entwickelt. Als nächstes werde ich mit dem Künstler Hannes Zebedin an einem Projekt arbeiten. Interessant finde ich, dass sich gerade einige Kollaborationen ergeben haben. Das habe ich bisher eigentlich kaum gemacht.
2. Wie sieht dein Arbeitstag für gewöhnlich aus?
In den letzten Jahren habe ich viele Projekte an unterschiedlichen Orten entwickelt und bin daher viel gereist. Die Arbeitsbedingungen sind je nach Situation sehr unterschiedlich. Während ich diesen Text schreibe, sitze ich zum Beispiel gerade in einem Café in Taipei und der Kellner neben mir schreit sehr laut in sein Walkie-Talkie. Das Arbeiten in verschiedenen Kontexten ist spannend und problematisch zugleich, da oft die nötige Zeit fehlt. Ich arbeite mit sehr unterschiedlichen Leuten und bewege ich mich oft außerhalb des Kunstumfelds, was ich eigentlich ziemlich angenehm finde.
3. Arbeitest du in einem Atelier? Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?
Mein Arbeitsplatz in Wien ist ein Tisch mit ca. 6 Festplatten, einem Stapel an Zetteln, Verträgen, Rechnungen und Skizzen in meiner Wohnung. Momentan ist das kein sehr gemütlicher Ort. Da ich viel weg bin, hat es mich noch nicht gestört. Aber nicht immer finden meine Projekte in spannenden Metropolen statt. So zum Beispiel lebte und arbeitete ich letztes Jahr einen Monat in einem Ferienapartment in Duisburg Marxloh und verbrachte viel Zeit in einer Shoppingmall in einem Stockholmer Vorort.
4. Wie entstehen deine Arbeiten? Was macht du selbst, was lässt du produzieren, arbeitest du mit Ready-Mades?
Ein großer Teil meiner Arbeit besteht aus Denken und Beobachten, die Umsetzung ist oft sehr spontan und experimentell. Ich arbeite gerne ohne großen Organisationsaufwand und ohne große Mittel. Ich mache eigentlich fast alles selbst, von der Kamera bis zur Postproduktion. In den letzten Jahren habe ich aber auch begonnen für meine Displays mit Designern zusammen zu arbeiten. Das finde ich sehr produktiv. Eine Tontechnikerin wäre sicher auch manchmal gut, aber in vielen meiner Arbeiten ist die Spontanität sehr wichtig für das Ergebnis und ein großer technischer Aufwand stört dann eher.
5. Welche Bedeutung hat das Internet für deine Arbeit bzw. Arbeitsweise?
Natürlich recherchiere ich übers Internet. Das finde ich aber oft sehr uninteressant. Wichtiger ist es mir an einem Ort Zeit zu verbringen und mit Leuten zu sprechen. Die eigentliche Produktion hat mehr mit Erfahrungsaustausch zu tun, als mit Recherche.
6. Welche Ratschläge wurden dir gegeben, die dir als Künstler hilfreich waren?
Vielleicht, dass man nicht zuviel machen sollte und lieber auch mal was absagt, damit man sich konzentrieren kann. Es ist schwer im Vorfeld abzuschätzen, wann man sich überfordert. Da bin ich aber noch im Lernprozess und das Nein-Sagen fällt mir sehr schwer. Der pragmatischste Ratschlag während meines Studiums war, dass wir uns eine Zahnversicherung zulegen sollten. Der kam in einem Nebensatz, während wir Walter Benjamin besprachen. Praktische Tipps zum Berufsalltag als Künstlerin fehlen an den Akademien vollkommen.
7. Kannst du dir vorstellen, irgendwann einmal keine Kunst mehr zu machen? Was würdest du stattdessen tun?
Oft habe ich schon darüber nachgedacht, ob es nicht konsequenter wäre, real-politisch zu arbeiten. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das nicht möchte. In der Kunst hat man die Möglichkeit mit Gedanken und Modellen zu spielen, die nicht funktionell oder rational sein müssen. Genau diese geistige Freiheit würde ich in anderen Bereichen vermissen.
8. Was sind die Vor- und Nachteile für in Wien arbeitende KünstlerInnen?
Wien ist eine angenehme Stadt für Künstler. Es gibt gute Institutionen, eine ziemlich dichte und demokratische Förderstruktur und das Leben ist halbwegs leistbar. Die Akademie hat einen guten Ruf, das zieht junge Künstler an und einige bleiben auch in der Stadt hängen, so wie ich zum Beispiel. Man erntet keine besondere Bewunderung, nur weil man in Wien lebt, wie das bei manchen anderen Städten der Fall ist. Es gibt keinen großen Hype um die Stadt, das finde ich gut, da bleibt mehr Raum für andere Themen. Trotzdem habe ich schon darüber nachgedacht wegzuziehen. Wien ist auch ein bisschen langweilig und vielleicht etwas eingefahren in bestimmte Traditionen. Ich würde mir ein größeres Spektrum an verschiedenen Arbeitsansätzen wünschen. Die existieren ja auch, werden aber nur wenig gezeigt.
9. Was ist das absurdeste, was du je über deine Arbeit gehört oder gelesen hast?
Kürzlich erschien ein Artikel auf einem spanischen Kunstblog. Als ich dem Link folgte, erschien ein Text über meine Arbeit, illustriert mit einem Bild des Londoner Attentäters mit Axt und blutverschmierten Händen. Die Autorin hatte da bildlich den Bogen etwas sehr weit aufgespannt, finde ich.
10. Welche Ausstellung fandest du in letzter Zeit besonders gut und warum?
Die Ausstellung von Mika Rottenberg im Magazin 3 in Stockholm hat mir sehr gut gefallen. Ihre Videoinstallationen waren räumlich sehr gut inszeniert. Sie waren weder formal trocken, noch überladen. Das gelingt den wenigsten, mit Video arbeitenden Künstlern und war speziell für mich interessant. Von den Großausstellungen in letzter Zeit, ist für mich vor allem die letztjährige Triennale im Palais de Tokyo herausgestochen. Das kuratorische Konzept war nicht so aufgeblasen wie gewöhnlich und es gab einfach sehr viele gute Arbeiten zu sehen.
10. September 2013
ANNA WITT geboren 1981 in Wasserburg am Inn, Deutschland. Lebt in Wien. Letzte Ausstellungen: Manifest, (solo) Marabouparken, Schweden; An I for an Eye, ACF, New York; Risc Society, MOCA Museum of Contemporary Art Taipei; Fremd&Eigen, Galerie im Taxispalais, Innsbruck; BC21 Award, 21er Haus, Wien (2013); Birth, (solo) Janco Dada Museum, Ein Hod, Israel; Over the Rainbow, Kunstmuseum St. Gallen (2012)