
So sieht eine interessante Ausstellung aus. Sie beginnt mit großformatigen Textseiten, die im Stile zeitgenössisch-analoger Nachlässigkeit lose an die erste Wand getapt sind. Nicht didaktische Einführungen in die Ausstellung sondern schwer verständliche Bastarde, leben sie von einem Sprachduktus, der so tut, als ob man genau wüsste, wovon die Rede wäre. Wortkaskaden voller Stile und Rhetoriken, die gleich klar machen, dass hier Text im Vordergrund steht und man die Filme in den folgenden Räumen besser als Texte betrachtet und nicht als Filme. Weil sie auch keine sind, sondern digitale Produkte, die als Filme posieren. Beispielsweise die Doppelprojektion »Us Dead Talk Love« (2012) mit der für Atkins typischen kruden Mischung aus Kitsch, Poesie, Pomp und Ernsthaftigkeit sowie einer bis ins Komische durchgespielten Ladung von digitalen Spezialeffekten. Diese hochartifizielle Sprache steht einem analogen Inhalt gegenüber: »Sex, Tod, Intimität und ihre melancholische Unmöglichkeit « wie der rumpflose Kopf und Avatar in »Us Dead Talk Love« sagt. Sie handeln von Entfernung, also davon wie digitale Medien sich als Realität gebaren und als solche verstanden beziehungsweise verwechselt werden – wie in den 80er Jahren Simulation plötzlich das Leben hätte sein sollen. Das ist eine okzident-zentrische Denkweise, das Digitale hat aber tatsächlich eine viel größere, globale Verbreitung erfahren als alles bisher und dabei ungehabte Formen von (wohl scheinbarer) Nähe hervorgebracht. Um diese Entfernung und Entfremdung drehen sich Atkins Filme. Sie fragen nach dem Wesen des Digitalen und ob es als völlig entkörpertes Medium – im Gegensatz zum analogen Film und Foto mit der ihnen eigenen Körperlichkeit (Zelluloid, Fotopapier usw.) – überhaupt angemessen über den Körper sprechen kann, über Sex, Tod, Intimität, Liebe. Es scheint, als beschwöre die Technologie realitätsnahe Körperlichkeit je weiter sie sich vom Körper entfernt; als verstärke sich der Phantomschmerz je besser die Prothese ist. Das kann als technischer Fortschritt verstanden werden, aber auch als Spiegel eines Lebens: je mehr Erfahrungen es dem Digitalen überantwortet, umso stärker sehnt es sich nach Körper, und sei es nur in Form eines Tattoos. In diesem Zusammenhang sagt der Künstler im lesenswerten Gespräch im Ausstellungskatalog: »Eine der grundlegenden Gesten, die ich setzen will, ist, dies [die Mediatisierung von Erfahrung durch digitale Technologien] aufzubrechen, ist eine des Wollens, eines Um-sich-Schlagens ohne Zusammenhang, wenn es sein muss – aus Verzweiflung, Liebe, Gewalt; jener Dinge, die recht unbeholfen und ursprünglich von menschlicher Interaktion zeugen.« Es gibt bei Atkins dieses Stürmen und Drängen, diesen virtuosen Willen für assoziatives, selbstverliebtes aber auch unverblümtes Nachsinnen, das man in der post-abgeklärten, nachironischen Zeit kaum mehr antrifft. Es ist eine Art hyperkodierter Expressionismus, der sich selbst, seiner Herkunft und Problematik bewusst ist und dennoch insistiert, jedoch, und das mag ihn retten, mit Humor. Die Arbeiten von Atkins sind von etwas Jungaltem umgeben und erinnern an Hugo von Hofmannsthals berühmten Chandos-Brief, der exemplarisch für die Sprachkrise um 1900 steht. So stellt sich dann die Frage, ob Atkins’ Arbeiten für eine ähnliche Krise stehen, für den Moment, wo das Digitale, das nichts anderes als reine Sprache ist, alles in endlos veränderliche Codes verwandeln und entkörperlicht überall hinschicken kann (vorausgesetzt es gibt ein Smartphone und Internetverbindung). Was offensichtlich Sex, Tod, Intimität und der Liebe entgegensteht, die an die Schwerkraft der Körper gebunden sind, diesen unüberwindbaren Widerstand. Ist doch gut so.
DANIEL BAUMANN



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