JK

Me and My Ass Pony

No. 19 / Frühling 2009

Unmögliche, weil viel zu große Grabbeigabe

Scandal in the Wind?


»Dress sexy at my funeral my good wife for the first time in your life.« Bill Callahan alias Smog

Wie man in Fragen der musikalischen Leichenentsorgung nur so daneben liegen kann! Auf dem Berliner Label »Get Physical« erschien unlängst der Sampler »Final Song #1«, eine Kompilation von dreizehn Musikstücken, alle ausgewählt von bekannten MusikerInnen und DJs nach dem Kriterium »records i would like to be played at my funeral«. Das britische Produzentenduo Coldcut googelte nicht lang herum und wählte so nahe liegend wie plump »An Ending«, ein recht pastellfades Stück Pastoral-Ambient von Brian Eno, der weiß Gott geilere Funeral Tunes auf Lager hätte (»Dead Finks Don’t Talk«). Die Wahl der meisten DJs - Laurent Garnier will Radiohead, DJ Hell die Stranglers - geriet jedoch auch nicht viel mutiger, allein Ricardo Villalobos besaß die Größe über den eigenen Coolness-Rand zu blicken und nominierte einen stürmischen Canzion der chilenischen Polit-Folkloristen Inti Illimani. Ein würdiger Kurzschluss: Wenn der Tod nach Elias Canetti schon ein »Skandal« ist, dann muss gegen ihn auch protestiert werden. Widerstand bis zum Grab und darüber hinaus – so kippt die Unannehmbarkeit der eigenen Nichtmehr-Existenz durch sinnlosen Trotz am Ende wenigstens ins erhaben Lächerliche.

Lächerlich freilich aber sowieso der Ranking-Wahn im Pop, diese verbeamtete Leidenschaft von Bestenlisten und Top-Irgendwas, der immer nur Buben (jeden Alters) anheim fallen. Nun treibe ich mich nicht allzu oft auf Vernissagen herum, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Art Crowd dort sich je dafür interessiert hätte, welches Kunstobjekt – eh nur theoretisch, weil in Wirklichkeit viel zu teuer – man sich am liebsten als Grabbeigabe wünschen würde. Ein Passstück von Franz West? Gar Duchamps Urinal, nur für den Fall der Fälle eines postmortalen Harndrangs? Oder hätte ich nicht doch lieber eine von Hans Schabus gesprengte Stollenverbindung zum Nachbargrab? Sie sehen schon: als selber vom Listenwesen infizierter Popwastl wildere ich auch in popfremden Revieren, wenn’s ums letzte Geleit geht. Welcher edle Stoff sollte meinen Leichnam verhüllen? Ein Anzug von Helmut Lang? Schad drum. Lieber ein türkisenes Miami-Vice-Sakko, um der Welt den Anblick wenigstens dieser Zumutung zu ersparen? So würdelos sollte man nicht einmal einen Hund bestatten! Es wird wohl legere Casual Ware werden, wenn mich meine Liebsten nicht nackt in einen Sack nähen und in die Donau werfen.

Me And My Ass Pony verschwenden unsere Gedanken aber weniger ans eigene Begräbnis und potentielle Funeral-Soundtracks – dafür haben wir, wenn es so weit ist, eh keine Ohren mehr -, sondern widmen uns lieber dem Klangdesign im Augenblick unseres Absterbens (Amen). Sofern mich nicht ein gnädiges Koma umfängt, hoffe ich also, im Dämmerzustand des Hinübergleitens wenigstens noch zwei meiner sieben Zwetschken zusammen zu haben um die Hinterbliebenen in spe zum Abspielen meiner »All-Time-Sterbebegleitung-Smash-Hits« nötigen zu können. Und bei dieser Liste selbst aufgenommener Field-Recordings aus allen Erdteilen kann auch der berühmte Oberlistenführer Nick Hornby einpacken. Hört nur, mit welch geilem Stoff ich meine Angehörigen ins Diesseits zurück terrorisieren und mich ins Jenseits hinüber zu katapultieren gedenke – Volume-Regler natürlich auf 10:

- Feldaufnahmen einer Horde Brüllaffen aus Borneo - ein zeitloses Dokument nicht zu bändigender Renitenz und gnadenlosen L’art-pour-l’art-Lärmens;
- mein unbezahlbares Klangarchiv »finaler flati« – als schmerzhaftes Memento, dass es sich bald ausgefurzt hat
- ein Tondokument vom Jahrestreffen der »Freunde der Querflöte« – Angst einflößender kann auch die Hölle nicht sein;
- millionenfach verstärkte Aufnahmen von Verwesungsbakterien bei der Schichtarbeit – ein gigantischer Chor Werktätiger im Dienste der Tabula Rasa;
- das bittere Schluchzen eines Basstölpels am Ende der Balzzeit – allein für den Selbstbetrug, dass irgendwer mir nachtrauert, und sei es ein sexuell frustrierter Basstölpel;
- Reden-Mitschnitte von Demagogen, Populisten und anderen Volksverhetzern samt Beifallsgeblök der Massen – dies nur in der Hoffnung, dass es so leichter fällt, einer unbelehrbaren Arschlochwelt ade zu sagen; und schließlich:
- »Hey Jude«, der am meisten nervende Beatles-Song ever, der obendrein noch so tut, als wäre er ein tolles Schlussstück. Dieser aufgekratzte Schmarrn sollte den Abgang doch ein wenig flutschiger gestalten. Wie sangen die Sparks so schön: »And you’re the only girl I ever met who hates ›Hey Jude‹, maybe that’s the reason that I’m so in love with you«.

Die göttlichen Sparks: genau! Deren Gesamtwerk soll bei meiner Verscharrung erklingen. Und dass mir ja keiner vor dem letzten Ton abhaut!

FRITZ OSTERMAYER ist Radiomacher, Musikant, Glücksgräber.