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Institution

No. 32 / Sommer 2012

Townhouse Gallery, Kairo


Seit dem Arab Spring ist ein klassisches Ausstellungsprogramm in Ägypten irrelevant geworden. Townhouse reagiert darauf, indem sie Communities mit anderen Anliegen die Räume überlässt und Projekte initiiert, die auf das Verlangen nach Reflexion, Diskussion und sozialer Verantwortung antworten. SARAH RIFKY spricht mit WILLIAM WELLS über die Geschichte der Galerie in Kairo, die seit kurzem eine Foundation ist.

SARAH RIFKY: Townhouse ist seit seiner Gründung 1998 eine wichtige Plattform für Künstler in Ägypten und der Region, vor allem für jüngere. Außerdem hat es über die letzten zehn Jahre auch verschiedene Initiativen, Kollektive und Organisationen gefördert und leistet einen großen Beitrag für den ägyptischen Kunstbetrieb. Townhouse ist über die Jahre ziemlich organisch gewachsen, steht im Dialog mit seiner Umgebung und arbeitet standortspezifisch. Als du mit der Galerie begonnen hast, hast du dir gedacht, dass sie sich so entwickeln wird?

WILLIAM WELLS: Als wir Townhouse gründeten, waren die Leute skeptisch, ob jemand den ganzen Weg in die Hinterhof-Werkstätten der Nabrawy und Champollion Street im Antikhana-Viertel auf sich nehmen würde, um Kunst zu sehen. Aber irgendwie kamen die Leute dann. Am Anfang bin ich durch die Galerien in Downtown gegangen und habe Lagepläne mit allen Räumen verteilt, wie Karim Francis, Mashrabiya oder Cairo-Berlin, der seit Renatas Tod geschlossen ist. Ich habe Führungen durch die Kunsträume um Townhouse herum angeboten, und wir haben dann auch versucht, Veranstaltungen und Eröffnungen auf denselben Abend zu legen wie die anderen.

RIFKY: Die Lage von Townhouse ist nicht nur ein Vorteil, mit den Räumen im Zentrum, so nahe an den politischen Aufständen. Wie beeinflusst das euer Programm?

WELLS: Seit dem 25. Januar 2011 ist ein klassisches Ausstellungsprogramm in Ägypten irrelevant geworden. In diesem Klima von Konflikt und Umbruch haben verschiedene Gruppen angefragt, die Räume von Townhouse für Aktivitäten zu nutzen, die weit über den Bereich von Kunst hinausgehen. Wir haben uns dann letztes Jahr auch darauf konzentriert, Projekte zu initiieren und zu unterstützen, die auf dieses Verlangen nach einem Ort der Kritik, Reflexion, Diskussion und dem Engagement für aktuelle soziale Themen antworten.

RIFKY: Würdest du euren Ansatz generell als kontextbezogen beschreiben? Ihr habt sowohl auf die lokale Community als auch auf die allgemeine Kunstcommunity reagiert.

WELLS: Als ich den Raum aufmachte, geschah das im Dialog und als direkte Antwort darauf, was die Künstler zu dieser Zeit offensichtlich brauchten, einen Ort, wo sie ihre Arbeiten außerhalb eines strikt kommerziellen Rahmens zeigen konnten. Wir haben auch mit der Community vor Ort und mit unterprivilegierten Gruppen gearbeitet. 


RIFKY: Welche Art von Workshops habt ihr veranstaltet?

WELLS: Da gibt es so viele! Es gibt den Freitagsworkshop und SAWA. Die Workshops waren zuerst für bestimmte Gruppen konzipiert – Kinder, die arbeiten (Opfer von Kinderarbeit), Straßenkinder, Flüchtlingsgruppen in der Stadt und so weiter. Wir sind nicht für Sozialarbeit ausgebildet. Mit der Zeit verstanden wir aber, dass wir bestimmte Dinge verbreiteten und uns wurde stärker bewusst, wie wichtig es ist, die Gruppen zu integrieren. Die Workshops sind für alle offen, es ist ein sehr lebendiger und dynamischer Prozess. Viele, die als Kinder zu den Workshops kamen, sind heute Ausbildende. Fast alle aus unserer Gasse haben schon den einen oder anderen Workshop mitgemacht. Du weißt, wie es ist: so ist Kairo. Es ist wichtig, offen zu sein und von der Nachbarschaft akzeptiert zu werden, dafür zu sorgen, dass jeder sich willkommen fühlt. Das ist auch unsere Lebensgrundlage. Man wird am Ende ein Teil dieses Ortes. Wir leben alle hier.

RIFKY: Du bist jetzt wie lange … über 20 Jahre in Kairo? Ich werde oft gefragt, ob du Kanadier bist und antworte, dass du nicht wirklich einer bist. Vielleicht ein »weißer Ägypter« … Was hat dich nach Ägypten gebracht?

WELLS: Ägypten hat mich immer interessiert, ich habe Alte Geschichte und Kunst in London studiert, bevor ich zu unterrichten begann. Ich habe fürs British Arts Council gearbeitet und bin in den 80ern nach Ägypten gezogen. Es ist so lange her …


RIFKY: Was hat sich für dich seit der Gründung von Townhouse am meisten verändert?

WELLS: Vieles. Townhouse ging durch viele Phasen, von der kleinen experimentellen Galerie zu dem, was es heute ist. Ein Ort, der nicht nur Ausstellungen macht sondern auch Bildungsprogramme unterstützt, nicht nur für Kunst, auch für Design, von Berufsbildungen bis zum Kuratieren und zur Kunstgeschichte. Es gibt Raawabet, wo viel mit Musik und Theater gemacht wird, das Outreach- Programm ist ziemlich umfangreich und wurde mittlerweile zu einer unserer wichtigsten Aktivitäten und viele andere Dinge …

RIFKY: Townhouse wird regional und international unterschiedlich wahrgenommen.

WELLS: In der Region gehören wir zur Generation von Räumen wie etwa Ashkal Alwan in Beirut und Platform Garanti (heute SALT) in Istanbul. Im Laufe der Jahre haben wir auch weltweit Museen und Galerien beraten und sind manchmal auf internationalen Messen, obwohl wir nicht mehr kommerziell sind. Wir gehören zu einem sehr guten lokalen, regionalen und internationalen Netzwerk.

RIFKY: Für mich ist Townhouse wirklich eine Institution, die dem traditionellen Verständnis von dem entspricht, was eine Institution ist oder macht. Sie ist flexibel und verändert sich immer wieder. Aber wie siehst du eure Tätigkeiten in der nahen Zukunft, mit den Wahlen und der Umbruchszeit in Ägypten?

WELLS: Es ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich vorauszusehen, wie sich die soziale und politische Lage in der Region die nächsten Monate (und Jahre) entwickeln wird. Sicher ist, dass Townhouse und die anderen Kunstorte daran weiterarbeiten müssen, das Verhältnis zwischen unseren kuratorischen Modellen und den Bedürfnissen und Wünschen der Künstler vor Ort und der Allgemeinheit weiterzuentwickeln. Wir sind natürlich verpflichtet, die lokale und regionale Kunst zu unterstützen. Es ist eine sehr unberechenbare aber auch aufregende Zeit für uns.


 


WILLIAM WELLS geboren in Kanada, gründete Townhouse Gallery 1998 und leitet es seitdem.

SARAH RIFKY ist Autorin und Kuratorin. Sie leitet CIRCA (Cairo International Resources Center for Art), und Co-Direktor von Beirut, einem Kunstraum in Kairo.