Die Karriere von Künstlern versteht man am besten über deren Arbeiten. Aber wie und wo sie leben und die vielen Einflüsse, die dahinter stehen, bleiben meistens im Verborgenen. Geht man der Zeile »Lebt und arbeitet« allerdings einmal nach, erkennt man neue Aspekte, die das Denken der Künstler prägen und deren Arbeiten mitgestalten. »Lives and Works« betrachtet also Künstler durch die Linse ihrer Wohnungen, Ateliers, der verschwommenen Grenzen von Lebens- und Arbeitsraum, aber auch der eigenen Geschichte. Von ADAM CARR

Warum und wie lange lebst und arbeitest du schon in Berlin?
Ich bin durch meine Arbeit oft unterwegs und verbringe viel Zeit an anderen Orten. Aber meine Bücher sind seit zwei Jahren in Berlin. Ich mag die Stadt. Es ist wie eine Erholung, fern der Realität.
Arbeitest du dort, wo du wohnst?
Ja, das vermischt sich.
Beeinflusst der Ort, an dem du lebst, deine Arbeit auf irgendeine Art?
Möglicherweise. Aber im Moment ist es eher umgekehrt, glaube ich.
Erzähle mir etwas über das Viertel, in dem du wohnst.
Ich lebe in Mitte, dieser Ort ist voll von Jugendherbergen. Aber der Grund warum ich hier bin, ist eine großartige Wohnung.
Hängen bei dir zu Hause Arbeiten anderer Künstler?
Meine Kunstsammlung ist sehr bescheiden. Ich habe eine Kugelschreiberzeichnung, die Michael Bauer betrunken gemacht hat. Sein Galerist hat ihn dazu gezwungen, als Bezahlung dafür, dass die beiden bis spät in die Nacht in meiner Küche gesessen sind, vor langer Zeit. Ich habe eine Serviette, die ein Vertrag für den Tausch einer Arbeit mit Roman Ondák ist. Und vor kurzem habe ich einen Streifen Klebeband von Daniel Buren erstanden, während er es installiert hat. Aber wovon ich in meiner Wohnung umgeben bin, sind viele unfertige Simon Dybbroe Møller Arbeiten, aber ich befürchte, sie gehören mir nicht.
Gibt es ein Haus eines Künstlers, das du besucht hast und besonders magst?
Jiří Kovandas Haus in Prag.

Liudvikas Buklys
Warum und seit wann lebst du in Vilnius?
Vilnius ist meine Geburtsstadt, man könnte also sagen: eine absolute Wahl. Aber es wurde definitv zu einem Ort des Multiple Choice. Ich habe hier ein Atelier in einem Industriegebiet angemietet.
Gibt es bei dir eine Trennung zwischen Leben und Arbeiten, und beeinflusst der Ort, wo du lebst, deine Arbeit auf irgendeine Art?
Ich habe keine fixen Arbeitszeiten, also ist auch der Raum nicht festgelegt. Ein Atelier woanders zu haben ist gut, um die Dinge zu einer bestimmten Zeit überdenken zu können.
Erzähle mir etwas über das Viertel, in dem du wohnst.
Jetzt lebe ich in einem sowjetischen Wohnblock aus den 50ern. Bis in die 90er war diese Gegend und das Haus für hohe Beamte, Autoren und Wissenschafter vorgesehen. In den frühen 90ern wurde die Gegend zu einer Kampfzone der neuen Kriminalität, aber in den letzten zehn Jahren entwickelte sie sich zu einem ruhigen Botschaftsviertel.
Hängen bei dir zu Hause Arbeiten anderer Künstler?
Ich habe nur ein frühes Foto von Gintaras Didžiapetris, das zwei Typen in Anzügen zeigt, die auf einem Acker stehen und Notizen machen.
Gibt es ein Haus eines Künstlers, das du besucht hast und besonders magst?
Vor kurzem war ich Pierre Bismuths Wohnung in Brüssel – mit dem Kontrabass und zwei Bassgitarren am oberen Stock.
Julieta Aranda
Warum hast du dich entschieden, genau in dieser Stadt zu leben und zu arbeiten, und wie lange bist du schon hier?
Im Moment pendle ich zwischen New York und Berlin. Das klingt zwar gut (und es ist auch nicht schlecht!), aber ich habe mir es nicht wirklich ausgesucht, irgendwie passierten mir beide Städte auf die gleiche Art: Mitte der 90er ging ich von Mexico City für drei Monate nach New York, und habe es nie zurück geschafft. Und 2006 ging ich dann von New York für drei Monate nach Europa, und kam auch von dort nie wieder ganz zurück. Ich fühle mich in den Städten, wo ich wohne, sehr wohl, aber sie haben nicht unbedingt einen direkten Einfluss auf meine Arbeit. Es gibt keinen wirklichen geographischen Stempel auf meiner Arbeit.
Arbeitest du dort, wo du wohnst?
Ja, ich bin einer dieser Leben/Arbeiten-Menschen. Ich träume von einem großen Atelier mit großen Fenstern und einer schlechten Heizung, aber in Wahrheit bin ich eine richtige Stubenhockerin und finde es schwierig, das Haus zu verlassen, um »arbeiten zu gehen«. Dass ich zu Hause arbeite, garantiert, dass ich meine Arbeit mache.
Beeinflusst der Ort, an dem du lebst, deine Arbeit auf irgendeine Art?
Ich unterscheide nicht zwischen Leben und Arbeit – mein Leben beeinflusst meine Arbeit, meine Arbeit mein Leben, und beides passiert am selben Ort. Die Objekte, die Oberflächen und Situationen in meinem Leben haben alle eine doppelte Funktion: Es ist so, als ob alles zwei Aufgaben hätte; meine Freunde sind meine Kollegen, meine Kollegen meine Freunde, ich habe gleichzeitig Spaß und mache meine Arbeit, usw…
Erzähle mir etwas über das Viertel, in dem du wohnst.
Als ich ganz in New York lebte, war ich ein Brooklyn Snob in Williamsburg. Das war eine gute Gegend Mitte bis Ende der 90er. Jetzt hat es sich verändert, das Viertel ist total gentrifiziert. Ich bin etwas älter und milder geworden, und es gibt nicht viel zu sagen, außer dass einer meiner Nachbarn ein Hausschwein hatte, Emmet, süß und fett. In Berlin lebe ich am Hackeschen Markt, an der Schnittstelle von drei demographischen Gruppen: die Touristen, die im Kilkenny Pub besaufen, die Prostituierten in der Oranienburger Straße, und die Ratten, die in der Nacht kommen und die Abfälle der Touristen fressen. Es ist ziemlich eklig, aber auch sehr lebendig … vielleicht erinnert es mich ein bisschen an New York, wer weiß?
Hängen bei dir zu Hause Arbeiten anderer Künstler?
Ich habe ein großes Foto von Anton Vidokle in meinem Wohnzimmer, aus seinem Projekt »Nuevo«, bei dem ich vor einigen Jahren mitgearbeitet habe. Und ich habe eine hässliche Zeichnung eines Freundes – ich schaffe es einfach nicht, sie abzuhängen. In New York habe ich einen Lawrence Weiner-Lifesaver, der mir irgendwie immer hilft, mich an die Dinge zu erinnern, über die ich nachdenken sollte.
Gibt es ein Haus eines Künstlers, das du besucht hast und besonders magst?
Als Teenager habe ich für kurze Zeit in einer Künstlerkommune in Mexiko City gelebt. Das Haus hieß »La Quiñonera«, da es vier Brüdern mit dem Nachnamen Quiñones gehörte. Ich glaube, jeder meiner Generation war mindestens auf einer Party dort, der Ort war auf jede nur mögliche Weise legendär. Lawrence Weiner hat ein großartiges Haus, das mich an ein Boot erinnert. Und ich hatte diesen Freund, der zwar kein toller Künstler war, aber der ein gigantisches Loft in Chinatown in New York hatte, wo alle Räume auf Rädern standen.
Aus dem Englischen von der Redaktion
ADAM CARR ist freier Kurator und Kritiker. Er lebt in London.
Weiters in der Printausgabe: Interviews mit Mungo Thompson, Jason Dodge, Jonathan Monk, Lawrence Weiner und Alek O.


