Affektive Affinitäten und Arbeiten von Freunden beeinflussen mich. Gespräche und das Leben formen mein Denken. Ich mag Arbeiten, die neue Welten erforschen. Ich glaube ganz naiv an die Kraft der Kunst, die Gesellschaft verändern zu können. Dieser Glaube wird täglich stärker. Die folgenden Arbeiten und Künstler öffnen Türen in meinem Kopf.

Margaret Lee
Margaret Lee ist nicht nur meine Galeristin (47 Canal), sondern auch Künstlerin, die gerne kollaborativ arbeitet. Unter anderem macht sie ultra-realistische Kartoffeln aus Gips, die wie sexuelle Anhängsel aussehen. 2010 kuratierte sie eine Gruppenausstellung mit dem Titel »Michele Abeles/Margaret Lee\Darren Bader« (nach den teilnehmenden Künstlern) bei White Columns in New York, die ich sehr gut fand. Lees Einladung an die Künstler war einfach: »Macht was ihr wollt, aber verwendet meine Kartoffeln.« Also gab es Kartoffeln im Überfluss, die dumme Knolle lag überall. Die Grenzen zwischen den Arbeiten verschwammen und deren Autorschaft war unklar. Lee stellte den Künstlern eine echte, aber pervertierte Plattform zur Verfügung, das Dreieck schloss sich, und die Arbeiten wurden zu einer einzigen. Ich mochte dieses Hybrid einer kuratierten Ausstellung, die sich über eine einzige elegante, selbstironische Geste in eine Arbeit von Lee verwandelte. Eine Form von Peer-to-Peer-Wiederaneignung und Austausch, in real life. *1980 in der Bronx, NY, lebt in New York City.

7. Teil der »Mini-Oper für Nicht-Musiker, Grantpirrie Projects, Sydney, 2011
Franck Leibovici
2008 begann der Dichter und Künstler Franck Leibovici eine »Mini-Oper für Nicht-Musiker« (2008–2013) in zehn Teilen zu komponieren. Der erste Teil geht zurück auf Colin Powells Rede an die UN In einer Power-Point-Präsentation brachte er Beweismaterial für Saddam Husseins Besitz von Massenvernichtungswaffen und rechtfertigte damit den Irakkrieg. Leibovici arbeitete mit Freiwilligen (keine professionellen Sänger), die Powells Worte sangen – mit einer Cornelius Cardew ähnlichen Partitur –, während die Original-Diashow auf die Wände projiziert wurde. Das Ergebnis ist ein beeindruckendes Musikstück. In anderen Sequenzen von Leibovicis Mini-Oper geht es um »Konflikte niedriger Intensität«: Veröffentlichte Wikileaks-Dokumente werden zu einer Partitur für 40 Instrumente, Terror-Instruktionsvideos auf YouTube in Tanzstücke oder Conversation Pieces für Laien transformiert. Eines von Leibovicis Hauptthemen ist die Aktivierung von Dokumenten mit künstlerischen Mitteln und Scores, um neues Wissen zu produzieren, forensische Poesie, wie er es nennt. Was mich fasziniert, ist der konkrete Einsatz von Kunst als ein Werkzeug für die Praxis. *1975 in La Réunion, lebt in Paris.


Ein-Kanal-Video, Farbe, stereo, 11:39 min
Courtesy of Ratio 3, San Francisco
Takeshi Murata
Takeshi Murata ist ein großartiger Künstler, der in Cory Arcangels Worten »seit zehn Jahren richtig gute Arbeiten macht«. Sein jüngstes Video »OM Rider« (2013) ist eine Art Pixar-Animation, die Murata ganz alleine produzierte. Das von B-Movies inspirierte Video dreht sich um zwei Charaktere: einen adoleszenten Werwolf auf einer verlassenen Karibikinsel (so sieht sie jedenfalls aus) voller Windkraftwerke, der auf einem Synthesizer improvisiert und einen fies aussehenden alten Mann, der auf einem unheimlichen Anwesen lebt. Muratas Arbeiten zeigen ein verblüffendes Gespür für Komödie und Drama – keine schlechte Leistung. Etwas gespenstisch ähneln seine Universen dem deprimierenden Morgen nach einer wilden Party. Was mich an Muratas Arbeiten reizt, ist sein Sinn für vergessene Americana. Wie Jim Shaw entdeckt er Dinge, die andere Künstler übersehen, aber bei uns allen starke visuelle Eindrücke hinterlassen. Stück für Stück zeichnet Murata ein großes psychedelisches Bild unseres kollektiven Unbewussten. *1974 in Chicago, lebt in New York City.

Kupfer, 37 x 194 x 75 cm
© Bildrecht, Wien 2013
Donald Judd
Als ich Donald Judds Skulpturen zum ersten Mal sah, hasste ich sie genau aus dem Grund, warum sie mich heute begeistern. Judd vermied ganz bewusst alle Verwandtschaften (Wiedererkennen und Assoziationen) zur Natur. Er arbeitete mit fabriksähnlich gefertigten Formen und strengen, oft reflektierenden, monochromen Oberflächen. Deshalb wirken seine Skulpturen so befremdend. Sie sind, was sie sind, und kommen einer Verwandlung des Physischen ins Mentale so nahe wie nur möglich. Für mich ist seine Arbeit eine formale Alternative zur heute gängisten formalen Sprache meiner Kollegen, der Skulpturcollage und erzählerischen Skulptur (etwa von Alisa Baremboym, Darren Bader, Lizzie Fitch, Yngve Holen, Timur Si-Qin oder Anicka Yi), steht aber nicht in Opposition dazu, sondern zeigt einen anderen Weg zu einem vielleicht ähnlichen Ziel. *1928 in Missouri, † 1994 in New York City.

Soundskulptur
Foto: David Burrows
Dean Kenning
Als Künstler, Autor und Lehrer gehört Dean Kenning zu dem Typ Künstler, der den Markt ablehnt, aber immer wieder unglaublich gute Arbeiten macht. Kenning kämpft gegen die Universitätsreform in Großbritannien, bei der die Kosten für den Kunstunterricht auf das absurde US-Niveau angehoben werden soll. Er sucht aktiv nach Alternativen, wo andere es nicht tun (eine wäre ein komplettes Überdenken des Erziehungssystems). Kenning erzählte mir einmal, dass er mit Wandmalereien und kinetischen Skulpturen arbeite, weil das die möglicherweise schlechtesten Kunstformen seien. Seine absurd-komischen und manchmal abjekten Skulpturen haben meine Kunst direkt beeinflusst. Die kinetischen, pflanzenähnlichen Gummi-Skulpturen sind auf Anhieb Klassiker (und können in jede beliebige Ausstellung oder Wohnung gestellt werden). »Value: A Visualisation« (2012) ist großartig: ein wie mit Haut überzogener Ball in einer Holzbox spricht – mit computergenerierter Stimme – über den Markt. Das Zentrum von Kennings Reflektionen ist die Rolle von Kunst und Künstler in der Gesellschaft – natürlich mag ich das. *1972 in Hounslow, UK, lebt in London.
Wissenschaftliche Ästhetik und lo-fi oder analoge Technologien im digitalen Zeitalter kennzeichnen die Arbeiten des in New York lebenden Künstlers ANTOINE CATALA (*1975). Der Franzose studierte Mathematik und Soundkunst, bevor er an die Kunstakademie ging. Seine Videos, Performances und Skulpturen sind voller Witz und Wortspiele, die eine bestimmte philosophische und politische Ernsthaftigkeit nie ganz verbergen. Zu seinen letzten Ausstellungen gehören: Image Families (solo), UKS, Oslo; Speculations on Anonymous Materials, Fridericianum, Kassel; Meanwhile … Suddenly and Then, 12th Biennale de Lyon; Antibody, Lisa Cooley, New York (2013); TV (solo), Galerie Christine Mayer, Munich; I See Catastrophes Ahead (solo), 47 Canal, New York (2012).
Aus dem Englischen von Ruth Ritter