Bjarne Melgaard »Ignorant Transparencies«
Gavin Brown’s enterprise, New York 14.9.–26.10.2013


Installationsansichten, Gavin Brown’s enterprise, New York
Alter vor Schönheit
Wohl gelangweilt von Spekulationen über sein Geschlecht, seinen psychischen Zustand oder seine sexuellen Vorlieben thront ein überproportionierter, crack-rauchender Pink Panther in der Eingangshalle von Gavin Brown’s enterprise. Bjarne Melgaard ernennt diesen in seiner Ausstellung »Ignorant Transparencies« zu seinem Alter Ego, ein Ersatz für die »45-year old worn-out faggot« (Melgaard über Melgaard), das gestreichelt, geleckt (als Porträt aus Himalaya-Salz) und vergewaltigt werden kann.
Melgaard kleidet zudem die Räumlichkeiten in Tapeten, die lauernde Haifischflossen im Wasser sowie Stills von Michael Hanekes letztem Film (WTF??, der Film handelt von Depressionen im hohen Alter) zeigen, und legt so die Parameter für die Betrachtung der Ausstellung fest, die sich wie ein Comicstrip lesen soll. Im folgenden Raum, der zunächst durch seine Überfülle an Information gleichermaßen langweilt und überfordert und vage an die Subversionsversuche von Bad-Boy-Artist-Installationen erinnert, zeichnet Melgaard eine Parabel über den Zusammenhang von Konsum und Identitätsbildung auf: Jeremy Scott Limited Edition, Issey Miyake Baobab, La Prairie, Hood By Melgaard, Chris Kraus, Maurice Blanchot. Die Produkte wirken genauso deplatziert wie die Werke, deren Teile sie sind und die sich als krude Satire über zeitgenössische Kunstproduktion lesen: So sind zehn Szenarios des Künstlers Danny McDonald in ein Horror-Puppenhaus gezwängt, in einer gigantischen PET-Flasche, in die zunächst gekrochen werden muss, läuft eine 3D-Animation, in der Pink Panther von Bernd dem Brot vergewaltigt wird, Melgaards Zuspruch zur Transgressionsfähigkeit der Low-Culture von Internet Fan Art als Antwort auf jüngst massenweise auftauchende, ihre eigene Existenz reflektierende 3D-Animationen; andere Teile der Installation erinnern an die Lampen aus mutierter Keramik des Künstlers Josef Strau.
Zum Schluss erscheinen die Kunstwerke und die darauf platzierten Produkte gleichermaßen als Accessoires eines Lebensstils, der den übrig bleibenden Leerraum auffüllt. Nichts transzendiert. Hier ist all der Müll, den ihr wollt, und er bleibt genau der Müll, den ihr wollt. Wie in einem Comicstrip bleiben die Dinge das, was sie mit einfachen Mitteln dargestellt sind, und erfahren keinen ästhetischen oder monetären Mehrwert. Die Produktionskosten entsprechen etwa dem Verkaufswert der Ausstellung. Demnach findet sich der Betrachter auch nicht als passiver Beobachter eines Potlatchs, von dem er ökonomisch ausgeschlossen ist, sondern in einer Situation, in der seine eigene Begierde der aller anderen potenziellen Betrachter gleichgestellt ist, genauso wie der ökonomische Aufwand der Ausstellung dem ökonomischen Mehrwert etwa entspricht.
Der letzte Raum ist dominiert von Assemblagen mit gespaltener Identität. Diese sind zunächst umgeben und überlagert von Porträts, die in Maltherapie-Sessions entstanden sind. Während Malerei als bezahlte Therapie entstehen zu lassen, ein weiterer Versuch ist, die eigene Generierung von Mehrwert zu unterwandern, folgen die als leere Körper dazugehängten, für die Ausstellung entstandenen Kleider des jungen New Yorker Fashion Kollektivs Eckhaus Latta einer komplexeren Logik: Sie reihen sich gleichermaßen in die anderen Produkte ein wie sie symbolhaft für den Austausch sozialen Kapitals zwischen dem Künstler und den Modedesignern steht. (Eckhaus Latta braucht als Modelabel, das unter viel Jubel den Sprung in den Mainstream schaffte, genauso kulturelle Legitimation wie Melgaard diejenige der zwei Generationen jüngeren Designer). Die Körper sind begleitet von neurotisch geschriebenen und jeglicher Grammatik trotzenden Texten, die fiktiv gehalten die prekären Lebenssituationen der Creative Class schildern. Schillernder Effekt dieser Beschreibungen ist ein Übermaß an Selbstidentifikation, das Selbsthass als einzige mögliche Perspektive offen lässt, geschürt durch die Konfrontation mit der materiellen Realität der eigenen Begierde, deren Hinterfragung und der Apparate, die sie generieren.
Melgaard schafft ein Szenario, in dem keine Trennung zwischen Subjekten und Produkten mehr existiert, ein Weltbild, in dem Identitätsbildung ein Prozess der Auswahl ist. Durch rapide Wechsel der Maßstäblichkeiten und der eingenommenen Perspektiven sowie das Parallelisieren von Identitätskonstruktion, Produkten und Werten erreicht er eine Beschleunigung der Entfremdung des Betrachters von den Werken und seiner selbst.
Was diese Ausstellung so unglaublich überzeugend macht, bleibt schlussendlich das Alter des Künstlers: Dies ist nicht ein junger Künstler, der durch Scharfsinn und nervende Cleverness die Mechanismen der Begierde generierenden Apparate ergründet. Dies ist der qualvolle Kampf eines Künstlers gegen den Fakt, dass sein zunehmendes Alter gleichzeitig die langsame Liquidierung seines sozialen Kapitals bedeutet, die Ausstellung ist das (Selbst)porträt einer Gesellschaft, deren verkrampfte Sucht nach Up-to-Dateness, nach Informationen und deren Ver-wertung zwangsläufig die Akteure dieser Gesellschaft genauso abstrakt erscheinen lässt wie die Stilisierungen eines Comicstrips, von innen und von außen betrachtet.
TOBIAS MADISON
Wohl gelangweilt von Spekulationen über sein Geschlecht, seinen psychischen Zustand oder seine sexuellen Vorlieben thront ein überproportionierter, crack-rauchender Pink Panther in der Eingangshalle von Gavin Brown’s enterprise. Bjarne Melgaard ernennt diesen in seiner Ausstellung »Ignorant Transparencies« zu seinem Alter Ego, ein Ersatz für die »45-year old worn-out faggot« (Melgaard über Melgaard), das gestreichelt, geleckt (als Porträt aus Himalaya-Salz) und vergewaltigt werden kann.
Melgaard kleidet zudem die Räumlichkeiten in Tapeten, die lauernde Haifischflossen im Wasser sowie Stills von Michael Hanekes letztem Film (WTF??, der Film handelt von Depressionen im hohen Alter) zeigen, und legt so die Parameter für die Betrachtung der Ausstellung fest, die sich wie ein Comicstrip lesen soll. Im folgenden Raum, der zunächst durch seine Überfülle an Information gleichermaßen langweilt und überfordert und vage an die Subversionsversuche von Bad-Boy-Artist-Installationen erinnert, zeichnet Melgaard eine Parabel über den Zusammenhang von Konsum und Identitätsbildung auf: Jeremy Scott Limited Edition, Issey Miyake Baobab, La Prairie, Hood By Melgaard, Chris Kraus, Maurice Blanchot. Die Produkte wirken genauso deplatziert wie die Werke, deren Teile sie sind und die sich als krude Satire über zeitgenössische Kunstproduktion lesen: So sind zehn Szenarios des Künstlers Danny McDonald in ein Horror-Puppenhaus gezwängt, in einer gigantischen PET-Flasche, in die zunächst gekrochen werden muss, läuft eine 3D-Animation, in der Pink Panther von Bernd dem Brot vergewaltigt wird, Melgaards Zuspruch zur Transgressionsfähigkeit der Low-Culture von Internet Fan Art als Antwort auf jüngst massenweise auftauchende, ihre eigene Existenz reflektierende 3D-Animationen; andere Teile der Installation erinnern an die Lampen aus mutierter Keramik des Künstlers Josef Strau.
Zum Schluss erscheinen die Kunstwerke und die darauf platzierten Produkte gleichermaßen als Accessoires eines Lebensstils, der den übrig bleibenden Leerraum auffüllt. Nichts transzendiert. Hier ist all der Müll, den ihr wollt, und er bleibt genau der Müll, den ihr wollt. Wie in einem Comicstrip bleiben die Dinge das, was sie mit einfachen Mitteln dargestellt sind, und erfahren keinen ästhetischen oder monetären Mehrwert. Die Produktionskosten entsprechen etwa dem Verkaufswert der Ausstellung. Demnach findet sich der Betrachter auch nicht als passiver Beobachter eines Potlatchs, von dem er ökonomisch ausgeschlossen ist, sondern in einer Situation, in der seine eigene Begierde der aller anderen potenziellen Betrachter gleichgestellt ist, genauso wie der ökonomische Aufwand der Ausstellung dem ökonomischen Mehrwert etwa entspricht.
Der letzte Raum ist dominiert von Assemblagen mit gespaltener Identität. Diese sind zunächst umgeben und überlagert von Porträts, die in Maltherapie-Sessions entstanden sind. Während Malerei als bezahlte Therapie entstehen zu lassen, ein weiterer Versuch ist, die eigene Generierung von Mehrwert zu unterwandern, folgen die als leere Körper dazugehängten, für die Ausstellung entstandenen Kleider des jungen New Yorker Fashion Kollektivs Eckhaus Latta einer komplexeren Logik: Sie reihen sich gleichermaßen in die anderen Produkte ein wie sie symbolhaft für den Austausch sozialen Kapitals zwischen dem Künstler und den Modedesignern steht. (Eckhaus Latta braucht als Modelabel, das unter viel Jubel den Sprung in den Mainstream schaffte, genauso kulturelle Legitimation wie Melgaard diejenige der zwei Generationen jüngeren Designer). Die Körper sind begleitet von neurotisch geschriebenen und jeglicher Grammatik trotzenden Texten, die fiktiv gehalten die prekären Lebenssituationen der Creative Class schildern. Schillernder Effekt dieser Beschreibungen ist ein Übermaß an Selbstidentifikation, das Selbsthass als einzige mögliche Perspektive offen lässt, geschürt durch die Konfrontation mit der materiellen Realität der eigenen Begierde, deren Hinterfragung und der Apparate, die sie generieren.
Melgaard schafft ein Szenario, in dem keine Trennung zwischen Subjekten und Produkten mehr existiert, ein Weltbild, in dem Identitätsbildung ein Prozess der Auswahl ist. Durch rapide Wechsel der Maßstäblichkeiten und der eingenommenen Perspektiven sowie das Parallelisieren von Identitätskonstruktion, Produkten und Werten erreicht er eine Beschleunigung der Entfremdung des Betrachters von den Werken und seiner selbst.
Was diese Ausstellung so unglaublich überzeugend macht, bleibt schlussendlich das Alter des Künstlers: Dies ist nicht ein junger Künstler, der durch Scharfsinn und nervende Cleverness die Mechanismen der Begierde generierenden Apparate ergründet. Dies ist der qualvolle Kampf eines Künstlers gegen den Fakt, dass sein zunehmendes Alter gleichzeitig die langsame Liquidierung seines sozialen Kapitals bedeutet, die Ausstellung ist das (Selbst)porträt einer Gesellschaft, deren verkrampfte Sucht nach Up-to-Dateness, nach Informationen und deren Ver-wertung zwangsläufig die Akteure dieser Gesellschaft genauso abstrakt erscheinen lässt wie die Stilisierungen eines Comicstrips, von innen und von außen betrachtet.
TOBIAS MADISON

Installationsansicht, Gavin Brown’s enterprise, New York

Öl auf Leinwand und Verschiedene Materialien mit Kleider von Eckhaus Latta, 200 x 300 x 5 cm