
AMELIE VON WULFFEN: »Es hat kein System, was ich lese«
Was ist Lektüre? Man spielt ein Gedächtnis gegen ein anderes aus. In einem Wiener Kaffeehaus trifft der Künstler, DJ und Kritiker CHRISTIAN EGGER die deutsche Malerin AMELIE VON WULFFEN. Ein Gespräch über Solschenizyn, Houellebecq und Kippenberger, über nicht zielgerichtetes Lesen und den Künstleralltag.
Christian Egger: Du arbeitest als Künstlerin ja durchaus erzählerisch. Welche Bedeutung hat Literatur für deine Arbeit?
Amelie von Wulffen: Das so direkt zu beantworten, ist nicht so einfach, aber es stimmt, dass es in meinen Ausstellungen oft so etwas wie einen Textfluss oder eine Aneinanderreihung von abgebildeten Gegenständen und Assoziationen gibt. Es gibt auch direkte Referenzen auf Literatur, z. B. die Porträts von Alexander Solschenizyn. Das hat zum Teil etwas mit meiner Familie zu tun, die Verbindungen zu Dissidenten aus dem ehemaligen Ostblock hatte. Ich habe als Kind Künstler und Intellektuelle aus der Sowjetunion erlebt. Solschenizyn war nicht dabei, aber das hat man halt gelesen zu der Zeit, das war die Figur, die den russischen Widerstand für uns am stärksten verkörpert hat.
Du hast immer im Westen gelebt?
Ja. Die Verbindungen kamen über meine Großeltern, die aus Böhmen waren, vertrieben sozusagen. Sie waren Schriftsteller, eher Dichter, und haben sich in den späten 60er und 70er Jahren dafür engagiert, verfolgte Dichter aus der Sowjet-union und der DDR in den Westen einzuladen, um sie vor staatlichen Übergriffen zu schützen. Jetzt spielt die ganze Dissidentengeschichte von damals überhaupt keine Rolle mehr. Und ich fand es auch krass mitzuerleben, wie die Leute dann ihre Bestimmung und ihre Öffentlichkeit verloren haben. Sie hatten in Deutschland und mehr noch in Amerika einen unglaublich hohen Status, weil sie auch als anti-kommunistische Widerstandskämpfer verehrt und instrumentalisiert wurden.
Als ich 2002 in New York und erstmals in Moskau war, fand ich Moskau in Sachen Kapitalismus um Längen voraus, und auch punkto Angebot schien sie mehr die Stadt zu sein, in der es nichts nicht gibt. Ich war überrascht, in einem gewöhnlichen Supermarkt Takeshi-Kitano-Filme zu kriegen und Kaffee-Bier-Mixgetränke …
Interessant, also vor fünfzehn Jahren war es noch schwierig, Butter, Milch oder Kaffee zu kaufen.
Eine erstaunliche Figur, die mir im Zusammenhang mit Russland immer einfällt und dessen satirisch-groteskes Werk erst Jahrzehnte nach seinem elenden Hungertod 1942 breitere Aufmerksamkeit erfuhr, ist Daniil Charms. Sagt er dir eventuell etwas?
Kenne ich nicht, ich habe viel Dostojewski gelesen und Gogol, Lermontow, Gontscharow, Bulgakow, Aitmatow.
Ist es so, dass berufsbedingt die Lektüre automatisch Recherche wird?
Eigentlich ist es meistens genau umgekehrt, bei mir ist Lesen mehr das Andere, das Entspannende und das Nicht-Zielgerichtete. Es hat kein System, was ich lese und warum. Bei Theorie bin ich eher langsam und lese dann auch meistens nicht ein ganzes Buch durch. Da fällt mir ein gutes modernes Kunstgeschichtsbuch ein: »Jack Goldstein and the CalArts Mafia«. Kennst du das?
Ich habe davon gehört.
Das haben gerade viele Leute in meinem Bekanntenkreis gelesen. Das ist eine unterhaltsame, gute Form, über eine Kunstszene zu berichten, wie sie entstand und sich weiter entwickelt hat, durchmischt mit Statements von Leuten, die dabei waren. Es geht nicht nur um die Kunstwerke, sondern auch sehr um die beteiligten Personen und ihre Lebensentwürfe und persönlichen Motive.
Oral History? So etwas verschlingt man dann meist.
Ja, lebendig und ganz schön krass, was man so mitkriegt, wie hart die alle drauf waren und wie ehrgeizig und konkurrenziell. Da denkt man, wir leben im Paradies zurzeit. Gerade Jack Goldstein selbst hat sich zugrunde gerichtet, war irre paranoid und ehrgeizig und hat immer Posen eingenommen, da war ja nichts Normales mehr. Andererseits kann man aus Paranoia natürlich unheimliche Energie beziehen. Viele aus dieser Szene haben scheinbar sehr untereinander und unter dem Karrieredruck gelitten, und es ging total um Geld. David Salle und so, sie haben hundertmal mehr verdient als unsereins. Und es gab weniger Künstler, weniger Platz …
Ein bisschen schwingt das auch bei Chris Kraus mit, die Kunstwelt als ...
… etwas sehr Unangenehmes. Interessant, dass du jetzt darauf kommst, von ihr habe ich kürzlich zwei Bücher gelesen. Da kriegt man eine Menge Insiderwissen aus der Kunst- und Theorieszene der 90er in New York, Los Angeles, Berlin, Paris vermittelt. Ich habe kürzlich den Vorwurf gehört, ihr Feminismus sei altbacken. Das kann ich nicht nachvollziehen. Mir kommt das absolut realistisch und glasklar analysiert vor, wie sie sich und ihre Kunstproduktion in dieser Theorie-Männerszene sieht, wie die Machtverhältnisse sich auch in ihrem eigenen Begehren abbilden, die ständigen Abwertungen, mit denen sie konfrontiert ist. Und wie sie in »Torpor« ihre Beziehung zu Sylvère Lotringer auffächert, sehr komplex und sehr nüchtern und abgeklärt, aber ohne Bitterkeit. Als Porträt einer modernen Beziehung im Kunst- bzw. Intellektuellenmilieu ist das wirklich genial. »I Love Dick« und »Torpor« haben mich total begeistert. Erstens sind sie sehr gut geschrieben, und ich finde, dass diese Mischung aus Intellektualität, Feminismus, aber auch einer einfachen, direkten Beobachtungsgabe und die schonungslosen Beschreibungen ihrer selbst sehr geniale, unterhaltende, aber auch erhellende Literatur sind. In »I Love Dick« finde ich lustig, wie das losgeht und wie irre sie sich verhält, und trotzdem ist das so nachvollziehbar. Diese Briefe an »Dick« […], und dass Lotringer dann auch noch mitmacht.
Ich habe es leider nicht gelesen, aber gehört, dass der Soziologe Dick Hebdige auch eine reale Vorlage in dem Buch wäre?
Ja, genau, den kenne ich nicht als Autor. Kennst du ihn?
Nur als Cultural-Studies-Wegbereiter.
Er wollte das Buch offensichtlich verbieten lassen, was ich ganz schön humorlos finde, weil er eigentlich gar nicht so schlecht wegkommt. Er ist ja im Grunde nur die Projektionsfläche für ihre Begierden. In dem Buch entlarvt sie sich selbst und die Verhältnisse und nicht so sehr ihn. Man versteht, dass sie sich an diese heldenhaften, monomanen, selbstbewussten Männer hängt, weil sie selbst nämlich keine Chance hat, in eine ähnliche Position zu kommen. So bleibt ihr scheinbar nichts anderes übrig, als so einen fanatisch zu lieben. Ich finde, dass die beiden Bücher auch deshalb interessant sind, weil man vermutet, dass alles so stattgefunden hat, und sie einfach auch ein bisschen indiskret ist, und das ein bisschen wie Bunte-Lesen in interessanteren Milieus ist. Ich habe auch nie ganz verstanden, warum über solche Dinge immer so ein Schweigen herrscht. Das ist eine Idee von Diskretion, die ich nicht nachvollziehen kann. Klar, es gibt Grenzen, aber generell ist es oft produktiv und befreiend, Verhältnisse offenzulegen ... Wobei, als Autor hat man natürlich auch eine unglaubliche Macht, Leute vorzuführen, wie Thomas Bernhard z. B., dem möchte ich nicht vor die Flinte gekommen sein.
Vielleicht gibt es eine Tendenz von Koryphäen auf dem Feld der Theorie, sich hinter dem Œuvre zu verschanzen?
Ja, mit Sicherheit. Vor allem bei Männern. Nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Literatur ist es selten, dass sie etwas über sich offenlegen. Ich denke, dass Frauen häufig offener und autobiografischer schreiben und sich mit zur Debatte stellen. Wir haben in der Familie auch so eine Angelegenheit rund um Persönlich-Biografisches. Meine Großmutter hatte in den 50er Jahren einige Jahre lang eine enge und auch romantische Beziehung mit Martin Heidegger, und es gibt einen ziemlich umfang-reichen Briefwechsel, der allerdings noch unter Verschluss ist. Sie hat verfügt, dass er erst nach dreißig Jahren gelesen werden darf.
Nach ihrem Ableben?
Ja, das ist auch ihr gutes Recht. Aber generell habe ich den Eindruck, dass einiges Drumherum extrem vorsortiert und gereinigt wird, z. B. hat Elfriede Heidegger einen großen Teil seiner Briefe zurückverlangt und vernichtet. Es ist sicher sehr oft der Fall, dass die Nachkommen alles so zurechtrücken, wie es gesehen werden soll, vor allem in Deutschland. Es ist auch in gewisser Weise nachvollziehbar. Ich habe es zum Beispiel selbst erlebt, als ein guter Freund von mir sich umgebracht hat, und ich ihm kurz vorher noch viele Briefe geschrieben hatte, vollkommen ungefiltert, wie ich z. B. mein Kunstszeneumfeld damals erlebte […] Da fielen nicht nur freundliche Worte, das kannst du annehmen. Und jetzt wusste ich, da kommen Leute, Freunde, auch Künstler, in seine Londoner Wohnung und sortieren erstmal seine Sachen, und alles, was ich geschrieben habe, wird fast öffentlich.
Das war Josef Kramhöller?
Ja, genau.
Aber wie steht es heute mit so flüchtigen Alltagsnachrichten wie SMS und E-Mails?
Bei uns wird es umgekehrt sein. Der ganze SMS- und E-Mail-Schrott ist ja bald weg. Wenn wir sterben, wird vermutlich kein Mensch unsere E-Mails ausdrucken. Wir hinterlassen also nichts, worüber man befinden müsste, ob es zu peinlich, privat oder politisch unkorrekt ist, sondern einfach gar nichts.
Nur Rätsel?
Nicht einmal das. Da wird nicht mal jemand eine Frage stellen, sondern man ist dann einfach weg. Auch unsere Bild-/Kunstarchive lösen sich auf.

Zurück zur Literatur!
Wir waren vorhin kurz bei Thomas Bernhard, aber der ist hier ja so eine unglaubliche Größe, dass man wohl etwas vorsichtig sein muss.
Komplett. Das war während der Schulzeit eine sehr wichtige Lektüre. Diese frühen drei Romane …
Genau, diese drei seiner fünf autobiografischen Romane! »Die Ursache«, »Der Keller«, »Der Atem«. Von denen war ich auch total beeindruckt, und ich habe im Anschluss daran innerhalb eines Jahres fast jedes seiner Bücher gelesen. Aber mit etwas Abstand mochte ich das nicht mehr, das ewige Genörgel und immer auf die anderen.
Wenn die Genervtheit zum Stil wird – keine Ahnung, ab wann das dann das Schreiben total bedingt. Vielleicht ist auch deshalb die Beschäftigung mit Kunst recht gut, um nicht dem ganzen Österreichischen ständig ausgesetzt zu sein ...
... oder wegziehen! Aber Bernhard hat ja auch in Deutschland ganz viele Fans. Bei ihnen ist nicht das Thema Österreich im Vordergrund, sondern sie identifizieren sich mit dem schlecht gelaunten Mann. Alle, die deprimiert sind und alles doof finden, können sich darauf einigen.
Michel Houellebecq deckt das auch ab.
Bernhard ist halt politisch mehr okay. Houellebecq erzählt auch sehr gut, aber das letzte Buch »Die Möglichkeit einer Insel« fängt schon so frauenfeindlich an, dass ich es nicht weiterlesen konnte. Wie dumm und lieblos er etwas ältere Frauen abwertet, das ist echt trostlos. Bernhard ist schlecht gelaunt, und er legt es auch offen, aber Houellebecq hat so einen pubertären Spaß an billiger Provokation, das nervt. In Deutschland versucht ja Joachim Lottmann eine irgendwie ähnliche Figur zu sein. Hast du was von ihm gelesen?
Nur ein späteres Werk, »Jugend von heute«, wo er zum Teil in Wien recherchiert hatte, wie ich dann später erfahren habe.
Das war doch eigentlich ein intelligentes und lustiges Buch. Er wird ja von vielen schwer angefeindet und hat aber zurzeit trotzdem viel Erfolg und schreibt große Spiegelartikel. Ich habe gehört, er hat sich in den späten 80ern unglaublich indiskrete Entgleisungen erlaubt, in »Tempo« usw. … bis schließlich keiner mehr mit ihm zu tun haben wollte.
Seine Anfänge waren im Kunstkontext.
Ja, z. B. Josef Strau kannte ihn eine Weile besser, wie er mir erzählte. Er hat mit ihm mal in Köln kurz zusammengewohnt, und Lottmann hat ihm Tipps gegeben, wie man Frauen aufreißt, ganz plump und direkt, das scheint erstaunlich gut geklappt zu haben. Also, wie gesagt, »Jugend von heute« fand ich ganz gut, aber das nachfolgende Buch, »Zombie Nation«, war so eine unheimliche Bandwurm-Geschichte … Was an ihm schon nervt, ist sein latenter Sexismus. Andererseits beschönigt er da auch nichts, legt das auch immer offen. Und interessant ist, dass er einen gewissen Horizont hat, politisch und historisch. Das haben viele junge deutsche Autoren nicht, da gibt es viel so Innerlichkeiten.
Ich lese gerade Jörg Fausers »Rohstoff« von 1984 und finde, dass das ein sehr gutes Buch ist. Es ist der typische autobiografische Erstlingsroman, da geht es um einen jungen Autor, um Subkulturszenen und um Drogen, und es vermittelt ganz dicht eine gleichzeitig sehr harte, aber auch unheimlich romantische Siebzigerjahre-Stimmung in Deutschland. Es fängt an in Istanbul, wo er noch voll der Junkie ist, und dann geht es um diverse Liebesaffären, Städte und Szenen. Es ist von daher total interessant, weil man sich in ein Spätsiebzigerjahre-Deutschland so sehr hineinversetzen kann, atmosphärisch sehr dicht, würde man sagen. Er ist auch etwas machistisch, der einsame, harte Wolf eben – vor allem dann in den Krimis, aber das gehört ja irgendwie zum Genre.
Vielleicht war Charles Bukowski Vorbild.
Ich denke, der war eher an William Burroughs orientiert, den erwähnt er jedenfalls öfter.
Burroughs kann ich mir eigentlich nicht so als großen Macho vorstellen.
Wie bitte? Zuerst hat er seine Ehefrau erschossen, weil er blau war und ihr einen Apfel auf den Kopf gelegt hat, um Wilhelm Tell zu spielen … das ist doch wohl saudoof. Und außerdem war er wohl so ein typischer Dandy, der überhaupt nur mit Männern redet, der überhaupt keine Frauen auf der Landkarte hat. Wir waren bei Brinkmann, Lottmann und Fauser. Das artet hier immer mehr zu einem Salongeplänkel aus.

Gisela Elsner sagt dir was?
Nein, sagt mir jetzt richtig nichts.
Sie schrieb ihre ersten Bücher Ende der Sechziger, »Berührungsverbot« ist ein Bekanntes. Sie starb dann vereinsamt als Kommunistin, und der Weg von der erfolgreichen Schriftstellerin zur von Verlagen Gemiedenen klingt sehr hart.
Das erinnert mich an Irmgard Keun. Sie hat mit »Das kunstseidene Mädchen« großen Erfolg gehabt vor dem Zweiten Weltkrieg. Das ist scheinbar auch Schullektüre in Deutschland, aber mir ist es vorher nie begegnet. Jetzt las ich diesen frühen Roman von ihr, den sie mit Mitte zwanzig geschrieben hat, er ist ziemlich direkt, richtiggehend derb und sexualisiert. Man glaubt nicht, dass das in den 30er Jahren in Deutschland geschrieben sein kann, und auch in einer ganz tollen Sprache. Total derbe Berliner Schnauze. Das hätte man auch in den 80er oder 90er Jahren als feministische Punk- oder freche Girlie-Literatur verkaufen können. Ich stieß auf sie in einem Buch über Joseph Roth, der mal mit ihr liiert war. Diese Erinnerungen an Joseph Roth, »Der heilige Trinker«, fand ich sehr interessant, weil man da eine Ahnung vermittelt bekommt, was es in den 20er Jahren schon alles gab, ein totales Bohème-Milieu, wie modern, fast vertraut einem das vorkommt, und dass das dann alles verschwunden ist. Roth ist ja eigentlich Österreicher, oder? Mann, der war ganz schön verrückt, lebte in Hotels und Kneipen, trank wahnsinnig viel, ging zu konspirativen Treffen, um die Monarchie in Österreich wieder einzuführen. Manches an ihm erinnerte mich sehr an Kippenberger, das ganze Ausgehen, Trinken, Mit-Leuten-Reden, Anekdoten erzählen.
Zu Kippenberger gibt es ja im Moment viele Bucherscheinungen, das Buch einer seiner Schwestern zum Beispiel. Man bekommt den Eindruck, dass mit der Trademark Kippenberger eine monotone Mythologisierung einhergeht.
Natürlich ist er total wichtig und interessant, aber mir reicht es auch ein bisschen, und ich muss nicht alles mitverfolgen. Mir bringt es nicht so viel, mich mit jeder Nuance seines Humors zu beschäftigen. Ich habe ihn, als ich noch ziemlich jung war, aus der Ferne ein paar Mal erlebt, also ich war bei ein paar Eröffnungen, wo er laut Witze erzählte, da habe ich schon einen Eindruck gewonnen, was das für eine Persönlichkeit ist. Wie ich das als Frau damals erlebt habe, fand ich die ganze Szenerie ziemlich bedrohlich. Kippenberger sagte mal zu mir »Na sieh mal an, das ist ja ein netter Keks …«. Das klingt auf den ersten Blick nett, aber das war echt eine knallharte Szene, wo man möglichst laut schreien und schnell Witze erzählen musste, und es ganz wenige Frauen gab, die da überhaupt mitreden durften. Man konnte eher die Freundin von einem der Männer werden. Da gab es so eine eigene Freundinnenszene, scheint mir, und die, die als Künstlerinnen mithalten wollten, sind wahrscheinlich alle Alkoholikerinnen gewesen oder geworden. Dieses »Man muss schreien« und »Man muss lustig sein« und »Auf-dem-Tisch-Stehen« und der ganzen Irrsinn. Also furchtbar. Das klingt vielleicht jetzt bieder und superfeministisch von mir. Aber zu der Zeit in der Szene möchte ich wirklich nicht Künstlerin gewesen sein. Das darf man alles nicht wegdenken, wenn man Kippenberger so idealisiert.
Danke für das Gespräch.
Fotos: Amelie von Wulffen
CHRISTIAN EGGER ist Künstler und Kritiker und lebt in Wien.
AMELIE VON WULFFEN, geboren 1966 in Breitenbrunn, Deutschland. Seit 2006 Professur an der Akademie der bildenen Künste, Wien. Lebt und arbeitet in Berlin. Zahlreiche internationale Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, darunter »Made in Germany«, Sprengel Museum Hannover (2007), Kunstverein Düsseldorf (2006), Museum für Gegenwartskunst, Basel (2005), Centre Georges Pompidou, Paris (2005), Kunstverein Braunschweig, Manifesta 5 (2004), Berlin Biennale (2004).