»This is what democracy looks like!
This is what democracy sounds like!«
 

In der Musik- und Kunstszene gelten LE TIGRE als der Inbegriff des feministischen Elektro-Punks und zählen neben Peaches und Chicks on Speed zu dessen passioniertesten ProtagonistInnen. Von URSULA MARIA PROBST
 

Die Ex-Bikini-Kill-Sängerin Kathleen Hanna formierte sich nach ihrem Soloprojekt Julie Ruin mit Johanna Fateman und der Underground-Filmerin Sadie Benning 1998 zur Band Le Tigre, die trotz ihrer „Do it yourself“-Soundproduktion ein klares feministisches Konzept verfolgte. Sadie Benning hatte in ihrem Video „Girl Power“ (1992) bereits eine Querverbindung zur Riot-Grrrl- Subkultur hergestellt, indem sie einen Song von Bikini Kill einspielte. Die Erstveröffentlichung von Le Tigre erschien auf dem radikalen lesbischen Label Mr. Lady und bildete eine Mischung aus Lovesongs, Indie-Dance-Stücken und Aggressionsausbrüchen. Der feministischen Kritik an dem Regisseur John Cassavetes wurde auf „Le Tigre“ lautstark Ausdruck verliehen. Als Sadie Benning die Band verließ, wurde der Techniker und Roadie der Band, JD Samson, Bandmitglied. Es folgten eine Veröffentlichung auf Chicks on Speed Records und eine Produktion mit der Videokünstlerin K8Hardy.
Als am 15. Februar 2003 die international organisierten Demonstrationen gegen den Irak-Angriff der USA ein öffentliches Antikriegsbekenntnis einforderten, war New York City das Epizentrum dieses Protests. Mit dabei waren Kathleen Hanna, Johanna Fateman und JD Samson. JD Samson tapte auf seinem Minidisc-Recorder den stark emotionalisierten Friedensappell „The world says no to war march“ mit. Weitere Parolen wie „Peace now“ und „This is what democracy looks like! This is what democracy sounds like!“ machen den Song „New Kicks“ auf dem gerade erschienenen Album „This Island“ zu einem aussagekräftigen Livemitschnitt der Anti-Bush-Mobilisierung. Neben dieser Soundpolitisierung unterstreichen Le Tigre durch das Outfit „STOP BUSH“ ihre politische Haltung. Die USMedien ignorierten mit Ausnahme von Fox News und „USA Today“ die Proteste gegen Bush. Wird die Soundpolitisierung erneut zu einem wichtigen Instrument gegen Antidemokratisierungstendenzen?
Bisher wurde jede Zusammenarbeit mit Majorlabels von Le Tigre strikt abgelehnt. Deshalb stellt sich für viele Fans nun die Frage, weshalb Le Tigre ihr aktuellstes Album „This Island“ über den Musikmulti Strummer/Universal vertreiben. Als Reaktion darauf gründeten Le Tigre unmittelbar nach der Vertragsunterzeichnung ihr eigenes Independent-Label. Für den Song „Tell You Now“ arbeiteten Le Tigre mit Ric Ocasek zusammen, der neben seiner Band The Cars auch die Synthie-Punk- Band Suicide produzierte. Das Album „This Island“ entstand in Kooperation mit Nicholas Sansano, der auch mit Sonic Youth und Public Enemy produziert. Den Drive in Richtung Dancefloor argumentiert Kathleen Hanna mit der Ambition, dass die Message der Songs das Publikum körperlich durchdringen soll. Die discolastige Coverversion von „I’m So Excited“ von den Pointer Sisters wird von Le Tigre als Lovesong performt, um mit dem Publikum eine Art Liebesaffäre einzugehen. Doch nach wie vor zeigt der hybride Sound durch den Mix aus Drummaschinen, Samples und Gitarrenloops Charakteristiken des Elektro-Punks. Die Songlyrics beinhalten neben den Anti-Bush-Songs unterschiedliche alltagspolitische Themen wie die Präsenz lesbischer Frauen im kulturellen Leben, die Heirat von Homosexuellen, die Queer Community sowie den Bandalltag on Tour und das Gefühl von Einsamkeit.
Wie Le Tigre ihr Imagetransfer zwischen akzeptablem Underground und Mainstreamkultur gelingt, darauf sind wir jedenfalls gespannt. Nach wie vor sind die Auftritte von Le Tigre, die vor Videoprojektionen der Künstlerin Wynne Greenwood von Tracy & The Plastics stattfinden, Ausdruck der feministischen Performancekunst. Nach wie vor sind die Bandmitglieder in Kunst- und Musikprojekte involviert. Kathleen Hanna schrieb ein Vorwort zu „Sheherazade“, einer feministischen Comicanthologie, Johanna Fateman schrieb einen Katalogbeitrag für die Whitney Biennial 2004, und JD Samson spielt in der Band New England Roses. Die Chancen stehen also gut.


LE TIGRE: This Island (Strummer/Universal)


URSULA MARIA PROBST ist Kunstkritikerin, freie Kuratorin, Kunsthistorikerin, D-Jane und lebt in Wien.