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Artist's Favourites

No. 18 / Winter 2008

Von Dan Perjovschi

In letzter Zeit kam ich sehr viel herum, fuhr da oder dort hin, stellte hier oder dort aus. So bekomme ich sehr viele Sachen zu sehen, manches davon ist gut. Ich mag witzige, kluge Arbeiten, Größe egal, Medium egal. Ich mag intelligente Künstler mit Humor und Widerständigkeit. Ich mag Künstler, die Kunst machen, weil sie gerne Kunst machen. Hier sind ein paar Beispiele.

Tala Madani, Icecream, 2008
Courtesy of the artist and Lombard-Freid Projects

Tala Madani


Ich sah Tala Madanis Malereien zum ersten Mal im Hinterzimmer der Lombard Freid Projects in New York. Ich sollte dort irgendetwas Wichtiges besprechen, aber ich musste immer auf die Sachen an der Wand starren. Groß- oder kleinformartig, Talas ein wenig comichafte Arbeiten sind stark und unverbraucht. Figuren sind auf einen flachen Grund gemalt, als einzelnes Element oder als sich wiederholende Zeichen. Sie sind irgendwie lustig, aber zugleich hart. Später erfuhr ich, dass sie aus dem Iran ist und in Rotterdam lebt. Vielleicht deswegen. *1981 in Teheran, lebt in Amsterdam.
Ariel Schlesinger, It's never enough, Banner Series, 2007, Courtesy the artist & Goodman Gallery

Ariel Schlesinger


Eine komplizierte DIY-Maschinerie aus Zwingen, einer Gaskartusche, einer Luftpumpe und einer Million anderer einfacher Geräte erzeugt an ihrem Ende eine Seifenblase. Die Seifenblase sinkt langsam zu Boden, trifft auf eine Oberfläche, die wie ein Grill aussieht, und geht in einer riesigen Flamme auf. Willkommen in der außergewöhnlichen und absurden Welt von Ariel Schlesinger, die auf der Art Focus 2008 in Jerusalem, seiner Geburtsstadt, zu sehen war. Er lebt jetzt in Berlin, wo er unablässig seine grenzenlose Fantasie darin trainiert, neue Bedeutungen für alte Gegenstände (soll heißen: alte Gewohnheiten) zu finden. *1980 in Jerusalem, lebt in Berlin

Sebastian Moldovan, Doors, 2007

Sebastian Moldovan


Da gibt es einen sehr jungen Mann, der mitten in Rumänien, in Sibiu, der europäischen Kulturhauptstadt 2007, lebt. Aber ich traf ihn zum ersten Mal im botanischen Garten von Bukarest, wo wir beide an der Bukarest Biennale 2005 teilnahmen. Er hatte ein Straßenschild mit dem durchgestrichenen Wort »Paris« aufgestellt, so als ob man die großartige Stadt gerade verlassen würde. Bukarest hatte einmal den Spitznamen »Kleines Paris« und Sebastians lakonischer Kommentar hat gesessen. Aber ich will ihnen nicht über diese Arbeit erzählen, sondern über ein kurzes Video, das er mir vor kurzem auf seinem Laptop gezeigt hat. Er hing eine Videokamera auf einige Türen und öffnete eine nach der anderen. Es sah so aus, als ob dieselbe Tür einen neuen Raum nach dem anderen öffnen würde. *1980 in Baia Mare (Rumänien), lebt in Sibiu

Leopold Kessler, rotana foundain, 2007, Courtesy Andreas Huber

Leopold Kessler


Wir nahmen beide an der Sharjah Biennale in den Emiraten teil. Alle Künstler, Kuratoren, Galeristen und alle anderen Männer und Frauen in schwarz waren in einem großen, schicken Hotel untergebracht. Wir hatten alles, die Menschen um uns herum hatten fast nichts, moderne Sklaven aus Pakistan und Indien, dazu verurteilt in der Wüste ein Las Vegas der Scheichs zu bauen. Also das war dann folgendermaßen: während wir alle mit unserem üblichen Geschäft (heißt: der Kunst) und unserer üblichen Obsession (heißt: der Kunst) weitermachten, steckte Leopold einen Schlauch in den Hotelpool, der auf einer höheren Etage lag, und leitete das Wasser sechs Stockwerke nach unten auf die staubige Straße. In letzter Zeit wurden solche heimlichen Aktionen zu seinem Markenzeichen. Er lebt in Wien. Seien sie vorsichtig! *1976 in München, lebt in Wien

Nevin Aladag, Nevin Aladag vs. Poul Henningsen, 2008

Nevin Aladag 


Nevin ist eine kurdisch/türkische Künstlerin, die in Berlin lebt. Ich sah ihr Video über eine türkische Familie, die in Berlin Break Dance unterrichtet. Dann kaufte ich mir ihr weißes T-Shirt mit ihrem Namen in Blindenschrift und begann alles zu beobachten, was sie macht. So kam es, dass ich ihre Lampen bei »U-turn«, der Kopenhagener Quadriennale, sah. Eine Guppe Lampen – heilig (und ziemlich teuer, wenn wir von Vintage reden) in der Geschichte des großen dänischen Designs – bekamen eine Überarbeitung. Nevin überzog sie mit farbigen Frauenstrümpfen, verwandelte sie radikal und gab ihnen so eine ganz andere Geschichte. *1972 in Van (Türkei), lebt in Berlin

DAN PERJOVSCHI ist 1961 in Sibiu, Rumänien, geboren. Einzelausstellungen u.a. »What Happened to US?« im MoMA New York und »I Am Not Exotic – I Am Exhausted« in der Kunsthalle Basel 2007, »The Room Drawing« in der Tate Modern London, »On the Other Hand« im Portikus Frankfurt 2006 und »Naked Drawings« im Ludwig Museum Köln 2005. Er nahm an der Sydney Biennale 2008, »The Magelanic Cloud« oder der 52. Venedig Biennale 2007 teil. Er lebt in Bukarest.