
The Story of an Artist: Daniel Johnson
Von Judith Fischer
Es war also folgendermaßen gewesen: Ich hatte mit einem Mal einen Lieblingssong. (Strange enough.) Und in diesem Februar auf der Berlinale hatte ich mich dann stundenlang an der Vorverkaufskasse angestellt, um Karten für eine Dokumentation über den Urheber des Songs zu ergattern. Nach längeren Überlegungen, wen ich mit in die Vorführung von Jeff Feuerzeigs „The Devil and Daniel Johnston“ schleppen sollte, fiel die Wahl auf oc, der mir dann im (halb leeren?) Saal erzählte, er hätte in der Volksbühne vor Jahren gemeinsam mit seinem Bruder das einzige Konzert gesehen, das Daniel Johnston je in Berlin gegeben hatte. So weit zu jenen Momenten, in denen wir uns denken: Ja, da gibt es etwas, worauf sich Freundschaft gründet (wenn auch nur - untergründig).
Der Film „The Devil and Daniel Johnston“ (Länge: 101 min.) ist Jeff Feuerzeigs zweite Musikdoku in Featurelänge (nach „Half Japanese: The Band That Would Be King“ (1994)), und Feuerzeig hat 2005 beim Sundance Filmfestival für „The Devil“ den Regiepreis erhalten.
Der Film kann wie folgt beschlagwortet werden: Self-Verite-Dokumentation. Bio-Pic. Outsider Art. Lo-Fi Independent Singer-Songwriter. Late Side Effects of LSD. Bipolar Disorder. US Mass Culture. Eternal Adolescence. Keine Krankengeschichte. Und drittens: Der Film zeigt gleich im ersten Drittel Daniel Johnston, wie er meinen Lieblingssong singt:
The Story of an Artist
Listen up and I’ll tell a story /
About an artist growing old /
Some would try for fame and glory /
Others aren’t so bold //
Everyone, and friends and family /
Saying, „Hey! Get a job!“ /
„Why do you only do that only? /
Why are you so odd? //
We don’t really like what you do. /
We don’t think anyone ever will. /
It’s a problem that you have, /
And this problem’s made you ill.“
(Undsoweiterundsofort.)
Zusatz: Auf der kürzlich bei Gammon Records erschienenen Tribute-CD „The Late, Great Daniel Johnston: Discovered Covered“ wird „The Story of an Artist“ von M. Ward gecovert (andere in dieses Tribute-Projekt Involvierte: u. a. Beck, Death Cab for Cutie, Vic Chestnut).
Natürlich ist dieser Film ein biografisches Märchen, eine Hagiografie, entstanden aus einer seltsamer Ehrfurcht vor der Kultfigur Daniel Johnston, über dessen Musik gesagt wird, sie sei „sweet & dark, silly & tender, sad & simple, haunting & honest“.
Auf DJ gewidmeten Websites wird seine Lebensgeschichte ausgebreitet, die Geschichte einer Herkunft aus streng christlichem Elternhaus, amerikanischer Massenkultur, natürlicher künstlerischer Begabung, intensivem Geltungsdrang, manisch-depressiven Grundmustern und einer obsessiven Produktivität. (Als Filme im Film werden auch die frühen Super-8-Filme von DJ gezeigt und seine stetig produzierten Zeichnungen.) Trotzdem verweigert sich der Film, eine reine Freak-Show zu sein, und: gut, dass Feuerzeig nie auch nur in die Nähe der Idee kommt, sich von psychiatrischem Personal oder anderen Professionellen Meta-Interpretationen zu DJ oder Sprechakte zu künstlerischer Produktion und psychischen Störungen abzuholen.
Johnston, 1961 in Kalifornien geboren, lebt heute - unterbrochen nur von Klinikaufenthalten - bei seinen Eltern in Waller, Texas, einem Vorort von Houston. Die umgebaute Garage ist sein Studio, sein Kingdom einer ewigen Adoleszenz. In Daniel Johnstons Welt kämpft das Gute gegen das Böse, Superhelden, seltsam mutierte Tiere, Wesen und Dämonen betreiben ein Pandämonium, das trotz gleich bleibendem Personal in immer neuen Spielvarianten zusammenkommt.
(Und gleich hintenweg: Nacherzählen will/kann ich den Film nicht. Könnte ja sein, dass er im Herbst auf der Viennale zu sehen sein wird ...)
JUDITH FISCHER ist als Schriftstellerin in verschiedenen Feldern tätig (Theorie, poetische Gebäude, Installation/Kunst, Horror/Film) und lebt in Wien.